Projekt Beschreibung
Mileva Einstein-Marić und andere geniale Frauen
aep informationen, 1/2021
„Sie alle waren geniale Frauen: Mileva Einstein-Marić, Sophie Taeuber-Arp, Julie Wolfthorn, Marie Bashkirtseff, Elena Luksch-Makowsky, Dora Hitz, Teresa Feodorowna Ries, Ida Boy-Ed, Elsa Asenijeff, Vally Wygodzinski, Marevna, Carmen Herrera, Josephine Nivison-Hopper, Paula Modersohn-Becker, Clara Westhoff-Rilke. Wie kommt es, dass ihre Namen heute in Wissenschaft und Kultur nahezu vollständig in Vergessenheit geraten sind? Senta Trömel-Plötz hat sensibel forschend hinter die Fassade geschaut – denn all diese begabten Frauen waren mit berühmten Männern liiert.“ (Klappentext)
Senta Trömel-Plötz ist eine deutsche Sprachwissenschaftlerin, und zusammen mit Luise F. Pusch begründete sie die feministische Linguistik in Deutschland. Trömel-Plötz durchleuchtet die Biografien der genannten Frauen, untermalt von diversen Wortstücken anderer Autor*innen.
Das Buch teilt sich in Vorwort, Nachwort und sieben Kapitel. Fünf der Frauen erhalten ein eigenes Kapitel, neun werden in einem zusammengefasst und das letzte Kapitel thematisiert „Das Leben leidenschaftlich lieben“: „Das Leben leidenschaftlich lieben, ist ein Luxus für Männer. Wir Frauen müssen das Leben leben, weil wir für das Leben anderer Verantwortung haben. Wir Frauen müssen überleben. Meine Kinder erhalten mich am Leben.“ (182)
Das erste Kapitel widmet sich ausführlich Mileva Einstein-Marić, der Frau Albert Einsteins. Die Autorin bezeichnet ihren Text als „Annäherung“, denn natürlich kannte sie Mileva nicht. Mileva war Studentin am Polytechnikum in Zürich, doch mit der Heirat Einsteins gab sie ihre eigene Karriere auf, brachte drei seiner Kinder zur Welt, wurde von ihm betrogen, verlassen und kümmerte sich weiter um seine Söhne, bis zu ihrem Tod. Ihre Tochter musste sie bei ihren Eltern abgeben. Die Autorin stellt sich die Frage: „Was wäre aus Mileva Einstein-Marić geworden, wäre sie nicht vor ihrer zweiten Diplomprüfung schwanger geworden und hätte sie Albert Einstein nicht geheiratet?“
„Tod durch Vergessen“, dieses Schicksal scheint viele Frauen, geboren in einer ähnlichen Zeit wie Einstein-Marić, liiert mit berühmten Männern, zu treffen. „Bei den jungen Frauen von damals mit hoher künstlerischer Begabung fällt auf, wie schnell sie aus dem kulturellen Leben verschwinden und wie schnell ihre Namen vergessen sind. Nur selten wird hier gefragt, was sie uns hinterlassen hätten, wenn sie ein Leben, einfach ein Leben gehabt hätten anstatt einen:
- Tod durch Heirat
- Tod durch Mutterschaft
- Tod durch Kindbett
- Tod durch Krankheit
- Tod durch Verlassenwerden
- Tod durch Ehebruch
- Tod durch Scheidung“ (96)
Eines der Kapitel ist Clara Westhoff-Rilke gewidmet, Frau des Lyrikers Rainer Maria Rilke, verlassen nach zwei Jahren und der Geburt einer Tochter, da er die Familie nicht erhalten konnte. Schließlich gab auch Clara ihre Tochter zu ihren Eltern und nahm sie mit 11 Jahren wieder zurück. In der Zwischenzeit folgte Clara ihrem Mann nach Paris, wo Jahre der finanziellen Unsicherheit auf sie warteten. Obwohl sie als selbstständige Bildhauerin tätig war, stand sie immer im Schatten ihres Kurzzeit-Ehemannes „Sofort ist sie in seinen Schatten gedrängt, sofort werden die Klischees Gattin und Mutter wirksam; die kürzeste Ehezeit mit Rilke genügte, um sie als Künstlerin zu verdrängen, um sie ein Leben lang hinter ‚Frau Rilke‘ zu verdecken“. (145)
Eine ähnliche Geschichte beschreibt Paula Modersohn-Beckers Leben. Die beiden lebten zur selben Zeit und waren miteinander bekannt, der Unterschied: Modersohn-Beckers Kunst erhielt posthume öffentliche Anerkennung, sie wird heute als eine der bedeutendsten Vertreterinnen des frühen Expressionismus bezeichnet.
Senta Trömel-Plötz stellt spannende Fragen und gibt aufschlussreiche Antworten. Ich könnte hier noch viele Zitate und Auszüge aus Kapiteln dieses Buches bringen, aber der Umfang einer Rezension reicht nicht aus, um eingehend darzustellen, welch Wertvolles Buch Senta Trömel-Plötz hier geschaffen hat. Jede* Leser*in, welcher die Geschichte dieser Frauen nicht bereits ausführlich bekannt ist, sollte sich dieses Buch zu Gemüte führen. Eine bereichernde, mitreißende, aufwühlende, erzürnende und in historischer wie in feministischer Hinsicht interessante Lektüre!
(Sylvia Aßlaber)