Projekt Beschreibung
Erzähl mir Labyrinth
AEP Informationen. Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, 1/2012
Ein Labyrinth undein öffentlicher Raum nur von Frauen gestaltet: Nicht leicht war es damals, 1991 in der Stadt Zürich, dieses Projekt durchzusetzen, Damals dachten die Betreiberinnen, dass sie ihr Labyrinth im Zeughaushof in Zürich bloß für den Sommer 1991 anpflanzten; jetzt blicken die Labyrinth-Frauen auf 20 Jahre Labyrinthplatz zurück. Und sie haben mit dem Labyrinthplatz Zürich eine länderübergreifende Labyrinth-Bewegung ausgelöst. Allein in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind mehr als 133 neue Labyrinthplätze entstanden.
Zum 20. Geburtstag des Labyrinthplatzes Zürich haben die Betreiberinnen ein schönes Buch voller Geschichten rund ums Labyrinth herausgegeben. Das Buch gibt nicht nur tiefe Einblicke in die konkrete Arbeit der Schweizer Frauen, es zeigt auch historische und aktuelle Hintergründe und Zusammenhänge auf. Reich bebildert zeugt das Buch von einer wundervollen, wirksamen und lebensbejahenden Labyrinthkultur als politische und kulturelle Intervention. Was hat es mit all diesen Labyrinthen auf sich? Ein Labyrinth ist kein kurzweiliger Irrgang zum Haschen und Verstecken, sondern das Labyrinth hat eine 5000-jährige Geschichte voller Mythen und Sagen, es ist das Erbe unterschiedlicher Kulturen mit unterschiedlichen Deutungen. So ist es auch ein Kulturmuster für Umgangs- und Bewegungsformen im öffentlichen Raum, ein spiritueller Ort, ein Besinnungsort und/oder ein Begegnungsort, für die eine dieses nicht und für die andere jenes wohl. Ein zentrales Moment ist das breite Spektrum der Ansätze und ihre Offenheit. Und es ist ein politischer Ort, wie die Labyrinthfrau Zita Küng meint, und sie zitiert Hannah Arendt: “Wer es unternimmt zu sagen, was ist, kann nicht umhin, eine Geschichte zu erzählen, und in dieser Geschichte verlieren die Fakten ihre ursprüngliche Beliebigkeit und erlangen eine Bedeutung, die menschlich sinnvoll ist.” Durch die Arbeit und die Diskussionen im Labyrinth, dem öffentlichen Frauenplatz, sind alle eingeladen, ihre Vorstellungen über sich und die Welt zu formulieren. Das hilft jeder Person, immer wieder etwas Neues über sich selbst zu erfahren. Zusätzlich verändert sich damit auch die gesamte Welt. Die Labyrinth-Hüterinnen nennen sich “öffentliche Hausfrauen, die ihre Tätigkeiten nach außen sichtbar machen”, die sich dem Pflanzen und Ernten, dem Wohnlichmachen von Räumen und der Pflege von Beziehungen widmen, zum Beispiel zu den Anwohnerinnen und Anwohnern, den Randständigen, die in der Nachbarschaft des Labyrinths ihre Tage verbringen, zu Durchreisenden oder zu den Gästen bei den zahlreichen Veranstaltungen dort, ein Beispiel weiblichen Wirkens im öffentlichen Raum. Das Buch mit seinem vielfältigen Bildmaterial nimmt die LeserInnen mit auf den Gang durch das Labyrinth, in der Mitte angekommen kehren sie wieder zurück zum Ausgangspunkt. Unter den Autorinnen sind Frauen der ersten Stunde, die während vieler Jahre die Kulturgeschichte des Labyrinths erforscht haben, und solche, die in den letzten Jahren dazugekommen sind, ältere und jüngere, engagiert in der Frauen-, Friedens-, Arbeiterinnen-, Umwelt- und Asylbewegung. Gemeinsam ist ihnen die Liebe zum Labyrinth und die Freude am Mitwirken auf dem öffentlichen Frauenplatz in Zürich. Und sie geben Anleitungen zum Nachmachen. Ein schönes, lesenswertes Buch.
(Monika Jarosch)