Projekt Beschreibung

Quadratisch – praktisch – gut

efi, 3/2007

Ein Besuch im Christel Göttert Verlag Rüsselsheim

Ein wichtiger Schwerpunkt sind philosophische Themen und die übersetzten Texte der italienischen Differenzphilosophinnen. Hier macht sie Grundlagenarbeit und es gibt ihrem Leben Sinn, mit ihren Büchern die Macht, oder besser gesagt die Möglichkeit zu haben, „dazu beizutragen, dass sich etwas verändern kann in der Welt und Wege zu einem besseren Zusammenleben aufzuzeigen.“

Seit 15 Jahren folgt Christel Göttert ihrem Begehren und produziert in ihrem kleinen Verlag jedes Jahr fünf bis sechs Frauenbücher. Charakteristisch sind die farbenfrohen, liebevoll gestalteten Einbände, das hochwertige Papier, die überwiegend quadratische Form und Inhalte, die sich auf ganz unterschiedliche Weise mit den Lebensfragen von Frauen beschäftigen.

Von Juliane Brumberg

Wer erwartet hat, dass die glänzenden Bücher hinter einer glänzenden Verlagsfassade produziert werden, hat sich getäuscht. Christel Göttert begrüßt ihre Besucherinnen in einer Bücher-Backstube – und dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Verlag hat seinen Sitz in den Räumen einer ehemaligen Bäckerei. Als Erstes zeigt sie nicht ihre Bücher, sondern das symbolische Zentrum ihres Büros, eine tragende Säule mitten im Raum, um die herum jede ihrer Autorinnen Steine aus der ganzen Welt abgelegt hat. Das sagt eine Menge über den Geist dieses kleinen Verlages, dessen Raumzuschnitt übrigens nicht quadratisch, aber gerade deshalb praktisch und gut ist, denn Christel Göttert legt Wert darauf, dass zwischen Konferenztisch und Computer, zwischen Kochnische und Telefon kurze Wege, Blick- und Hörkontakt, eben einfach eine gute Kommunikation möglich ist.

Das ist wichtig für sie, auch wenn sie oft allein im Büro ist. Alle anderen Mitarbeiterinnen, ihre Lektorin Bettina Bremer und die Setzerinnen und die Graphikerin, arbeiten auf Honorarbasis und sind nicht ständig vor Ort. Leben ist aber trotzdem in der Backstube, zum Beispiel jeden Dienstag, wenn die Türen geöffnet sind zum Schmökern und zum Austausch für die Frauen aus Rüsselsheim und Umgebung.

Philosophische Büchlein

“Es gibt nicht die Frau”, sagt Christel Göttert. Dementsprechend wendet sie sich mit ihren Büchern auch an ganz unterschiedliche Leserinnen. Das Themenspektrum reicht vom Autofahren bis zur Weisheit des Gartens, von den Drachinnen bis zu den Hexen, von indischer Babymassage bis zum Frauenlabyrinth, von den Müttern bis zum Matriarchat, von Neuseeland bis Irland. Ein wichtiger Schwerpunkt sind philosophische Themen und die übersetzten Texte der italienischen Differenzphilosophinnen. Hier macht sie Grundlagenarbeit und es gibt ihrem Leben Sinn, mit ihren Büchern die Macht, oder besser gesagt die Möglichkeit zu haben, “dazu beizutragen, dass sich etwas verändern kann in der Welt und Wege zu einem besseren Zusammenleben aufzuzeigen.” In besonderem Maße tun dies sicher die kleinen 5-Euro-Bändchen aus der Philosophischen Reihe, in denen es um Fragen geht wie z.B. die Zukunft der Frauenbewegung, Frauen und das Alter, oder weibliche Spiritualität und politische Praxis. Sie sind verständlich geschrieben und in einer guten Stunde zu bewältigen – ideal für vielbeschäftigte, aber dennoch leselustige und entwicklungshungrige Frauen.

Wie eine Schwangerschaft

Ein Gewinn für leselustige Frauen ist auch ein anderes Projekt, das der Christel Göttert Verlag unter seine Fittiche genommen hat: Die “Virginia”, die einzige deutsche Zeitschrift für Frauenbuchkritik. Sie erscheint zweimal im Jahr, jeweils zur Frankfurter und Leipziger Buchmesse und bietet einen Überblick über Neuerscheinungen, zahlreiche Buchvorstellungen von namhaften Rezensentinnen sowie Frauen-Krimi-Kurzrezensionen und Besprechungen interessanter Mädchenliteratur. Die Virginia gibt es in vielen Buchhandlungen kostenlos, kann aber auch für einen geringen Betrag direkt beim Göttert-Verlag abonniert werden.

Für Christel Göttert bedeutet das zusätzliche Arbeit und Verantwortung in ihrem verlegerischen Alltag. Normalerweise flattern ihr jede Woche zwischen zwei und zehn Buchmanuskripte auf den Tisch, die gesichtet werden müssen. “Die meisten sind für unseren Verlag nicht geeignet. In der Regel bitten wir die Autorinnen, ein Exposé zu schicken sowie uns deutlich zu machen, warum sie denken, dass ihr Buch in unserem Verlag gut aufgehoben ist. Oft haben sie sich gar nicht klar gemacht, was es heißt, als Frau in der Welt zu sein.”

Nur die wenigsten Manuskripte kommen auf den Stapel, mit dem die Verlegerin dann “schwanger geht”. “Wir nähern uns langsam an.” Und dann dauert es leicht noch einmal neun Monate, bis ein Buch fertig ist. Für das Cover macht sich eine Graphikerin aus der Umgebung mit dem Inhalt des Manuskripts vertraut und legt verschiedene Entwürfe vor, für die sie manchmal sogar selber Bilder malt. Oder Christel Göttert und die Lektorin Bettina Bremer geben ihr Ideen mit auf den Weg, die sie dann umsetzt. “Gleichzeitig gehen wir den ganzen Text gründlich durch und besprechen ihn intensiv mit der Autorin. Manchmal fragen wir: Wolltest Du das wirklich sagen, oder hast Du etwas Anderes gemeint?”

Nicht Geld, sondern das Tun schafft Lebensqualität

Für Christel Göttert ist es wichtig, “von sich selbst auszugehen und die Öffnung für das Andere zu haben”. Nur so konnte auch sie selbst es wagen, mit 50 noch einmal ganz neu anzufangen und ohne Abitur und Studium einen Verlag zu gründen. Als Grundlage dafür nahm sie nämlich ihre eigenen langjährigen Erfahrungen aus der Frauenbewegung, aus 8 Jahre Stadtverordnetentätigkeit und ihr Wissen aus 15 Jahre Teilzeitbeschäftigung in Industrie- und Sozialarbeit, vor allem aber das ganze Spektrum als Familienfrau beim Großziehen von 2 Kindern. Mittlerweile hat sie Enkelkinder und einen Ehemann im Ruhestand, der im Verlag den ganzen Bücherversand erledigt. “Am dankbarsten bin ich ihm aber, dass er auch das finanzielle Risiko mitträgt, denn wir müssen jedes Buch vorfinanzieren.” Geld verdienen kann sie selbst mit diesem Verlag immer noch nicht, Honorare bekommen lediglich ihre Mitarbeiterinnen.

Warum tut Christel Göttert sich das alles an? “Das ist meine Lebensqualität! Für andere Menschen in meinem Alter, ich werde im Sommer 65, ist es Lebensqualität, weite Reisen zu machen; für mich sind es die Kontakte zu den vielen Frauen, die sich aus meiner Arbeit ergeben, die vielen begeisterten Briefe von Leserinnen, einfach jeden Tag in diese Räume zu kommen und Bücher zu verlegen, die dem verantwortlich in die Zukunft gerichteten Denken der Frauen und damit der Gesellschaft weiterhelfen, das ist für mich Lebensqualität.”