Projekt Beschreibung

Der Atem von Frauen

Frankfurter Rundschau vom 13.11.1997

“Atmen ist die erste selbständige Regung des Menschen. In der Schöpfungsgeschichte ist Gott dadurch stark, dass er Leben einhaucht. Atmen verbindet die Erde mit dem Himmel. Zu atmen ist essentiell und zugleich schöpferisch. Und so heißt das Buch der französischen Philosophin, Linguistin und Psychologin Der Atem von Frauen. 13 internationale Autorinnen haben sich auf die Suche nach den Spuren ihrer spirituellen Mütter und Schwestern begeben und dabei entdeckt, dass sowohl in der Geschichte als auch in der Bibel sehr viel mehr und vor allem sehr anders von Frauen gesprochen wird als heute …

Es sind interessante Frauen, denen sich die Autorinnen in ihren Essays nähern. Da ist Mirjam, die im Alten Testament die Herrlichkeit Gottes mit Moses und Aron besingt. Sie ist Wortführerin des hebräischen Volkes, eine Stimme zu Gott … Die Italienerin Silvia Vegettii Finzi schreibt über Klara von Assisi, die sich den Normen verweigert und sich durch den Rückzug ins Kloster selbst findet. Sie sucht und findet ihren Weg im Leiden und Geheimen – ganz anders als Vilemína, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, weil sie sich als Inkarnation des Heiligen Geistes in weiblicher Gestalt bezeichnet.

Maria Teresa Porcile Santiso aus Uruguay interpretiert das erste Buch Mose, die Genesis, neu: Wenn die Frau als zweite erschaffen worden ist, geschah dies nach ihrer Ansicht, damit sie vollendeter sei als der Mann. Und die italienische Einsiedlerin Adriana Zarri ist auf der Suche nach einer ‚unreinen Theologie’, die in ihrem eigenen Leben und in ihren Beziehungen zu anderen verwurzelt ist.

Der rote Faden in dem von Luce Irigaray herausgegebenen Buch ist die Frage nach dem Göttlichen, nach seiner Repräsentation für Frauen. Dabei geht es nicht um religiöse Zugehörigkeit. Auf der Suche nach den Spuren ihrer spirituellen Mütter und Schwestern begeben sich Frauen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, erhellen die Tradition mit den Erfahrungen des Heute und erhalten umgekehrt Erkenntnisse für die eigene Verwirklichung. So sind neue Werte für einen weiblichen Glauben entstanden, die sich alle durch eins auszeichnen: sie sind freier, erleuchteter und auch inkarnierter …”

(Kristin Holighaus)