Projekt Beschreibung

Visionen können wahr werden

Mathilde, März/April 2008

Hin- und hergerissen fühle ich mich während der Lektüre von Kirsten Armbruster über die Kraft der starken Mütter: fasziniert von den Visionen einer friedlichen gleichberechtigten Weltordnung und skeptisch zugleich. Provozierend und mitreißend beginnt sie ihr Buch mit der Utopie, dass die Herrschaft des Patriarchats in Europa zusammengebrochen sei: “Die EU wurde unter das Recht der Göttin gestellt.” Stürme und Überschwemmungen zeugen von Unverträglichkeiten des hemmungslosen Wirtschaftswachstums mit der Natur. Die Erde bebt, sie wehrt sich wie eine Mutter, die ihr Kind schüttelt, weil es zu viel Unfug angestellt hat. Es ist Zeit, dass die “dreizehn Alten Weisen Frauen” die Geschicke der Welt endlich in ihre Hand nehmen.

Wenn von Matriarchaten die Rede ist, hören wir immer wieder: “Wenn Frauen an der Macht wären, würde sich doch nichts grundlegend ändern.” Kein Wunder, beginnt doch der Geschichtsunterricht an unseren Schulen mit den patriarchalisch organisierten Hochkulturen in Ägypten, Griechenland und Rom. Über die Jahrtausende Menschheitsgeschichte davor wird kurz berichtet, wie wilde Jäger und Sammlerinnen das Feuer gefunden haben. Matriarchate Spuren werden verleugnet, unser Geschichtsbewusstsein vernebelt.

Armbruster spürt den Ursprüngen unserer Weltgemeinschaft nach. Ausgrabungen, Traditionen, Märchen und Sprache sind Quellen, die uns von Vergangenem berichten. In der heiligen Silbe “ma” finden wir in allen Kulturen Worte und Symbole, die auf die Bedeutung und Kraft der Mutter hinweisen. “Ma-Ma” bedeutet in fast allen Sprachen Mutterbrust, als Symbol für die leibliche Mutter. Mathematik leitet sich ab von Mutterweisheit.

Die Autorin erforscht und vergleicht die Stellung des Weiblichen in großen Weltreligionen, beispielsweise die bestehende Frauenverachtung im Buddhismus. In ihren “furchtsamen Gedanken zur Fruchtbarkeit” nennt sie Gründe für den Geburtenrückgang in Industrieländern. “Für Fruchtbarkeit brauchen wir Hoffnung auf eine bessere Zukunft für unsere Kinder”

Mütter, damit sind auch Frauen gemeint, die keine eigenen Kinder haben, verfügen über die Kraft zur Veränderung, wenn sie ihre gedanklichen Grenzen überschreiten. Schließlich sind sie es, die die Generationen erhaltende Arbeit leisten. Erst das Gleichge­wicht zwischen den produktiven Prozessen auf dieser Erde und den reproduktiven, die weitgehend von den Frauen geleistet werden, kann der Beginn sein, einer neuen friedvollen Gesellschaft, die dem Leben verpflichtet ist und nicht dem Tod.

Wie wollen wir leben, so wird die Leserin persönlich gefragt. Die Antwort ist einfach, die Umsetzung jedoch scheitert schnell am festen Gefüge des Patriarchats. Der Autorin ist wichtig, darüber hinaus bis an die Wurzeln zu gehen, unsere Macht zu erkennen und Handeln daraus abzuleiten. “Wir sind nicht hilflos, denn die Schöpferin hat uns wohlweislich das Geheimnis des Lebens anvertraut, auf das wir es bewahren. Beenden wir endlich unsere Ohnmacht und nutzen unsere Macht!” (gpa)