Projekt Beschreibung

Verhungert an der Seite des erfolgreichen Mannes: Weibliche Genies

Mathilde, März/April 2020

Ich war auf den Namen der Autorin geflogen, die ich als hervorragende feministische Linguistin von Werken wie „Gewalt durch Sprache“ kannte. Der Untertitel Wortstücke versprach zusätzlich literarischen Genuss. Ich wurde nicht enttäuscht.

Senta Trömel-Plötz fragt nach dem Beitrag der Frauen zur männlichen Produktivität und vor allem nach den erbrachten Opfern. Obwohl es sich meist um bekannte Namen handelt, enden die Frauen nämlich fast ausnahmslos in Armut und Elend. Ausgehend von Milena Einstein-Maric, Physikerin und erste Ehefrau von Albert Einstein, zieht die Autorin Verbindungslinien zu anderen hochbegabten Frauen wie Sophie Taeuber-Arp, Paula Modersohn-Becker, Clara Westhoff-Rilke, Elsa Asenijeff, Josephine Nivison-Hopper, die von niemandem unterstützt, verlassen oder gar in Anstalten eingewiesen wurden. Senta Trömel-Plötz versetzt sich in sogenannten Fantasietexten in die prekäre Situation der Frauen, zitiert aus Briefen und zeigt, wie die Frauen als Gattin und Mutter in den Schatten des Mannes und in Armut gedrängt werden. Auch wenn sie trotz der entmutigenden Umstände versuchen, ihre Fähigkeiten einzubringen, werden sie übersehen oder behindert. Als Genie gilt nur der Mann, die Frau scheint mitgemeint.

Die Mühen der weiblichen Lebensläufe verwebt Senta Trömel-Plötz mit Zeilen von Lyrikerinnen wie Else Lasker-Schüler, Rose Ausländer oder Gertrud Kolmar zu einem Panorama der vergeudeten gesellschaftlichen Ressourcen. Aber sie fragt auch, was möglich gewesen wäre ohne den eisigen frauenfeindlichen Gegenwind, und was es für Frauen heißen könnte, das Leben leidenschaftlich zu lieben. Dass Verbundenheit mit allen Lebewesen ausgenutzt werden kann und wird, ist ja nicht die Schuld der Frauen. Im Schlussteil der Wortstücke erfahren wir mehr über das „Trotzalledem“, das nicht nur diese Frauen leben, gewürzt mit Beispielen aus dem persönlichen Bereich der Autorin. Insgesamt ein Aufruf, genau hinzusehen, wenn wir von Genies lesen oder hören und die beteiligten Frauen nicht zu vergessen. (iws)