Projekt Beschreibung
Was hätte wohl Xanthippe gesagt?
Mathilde, Mai/Juni 2021
In ihrem kleinen Buch erzählt die Autorin Ina Praetorius, wie es ist, „postpatriarchal durcheinander“ zu sein – wobei in diesem Zustand viele althergebrachte Gewissheiten ins Rutschen geraten. Sie beginnt ihr Nachdenken mit der Geschichte der Xanthippe, die laut Platon mit ihrem Kind weinend bei ihrem zum Tode durch den Giftbecher verurteilten Ehemann Sokrates saß. Er schickte sie weg: „Da führten einige von Kritons Leuten sie heulend und sich übel gebärdend fort.“ Denn für Sokrates ist der Tod kein Grund zur Trauer, sondern der Weg, den lästigen Körper los zu werden und das eigentliche unsichtbare Leben im Jenseits zu beginnen. Was, fragt die Autorin, hätte Xanthippe wohl gesagt, wenn Sokrates sie hätte ausreden lassen? Sie hätte ihm erzählen können von der Endlichkeit des Daseins, vom Geboren-werden und vom Sterben. Aber die Geschichtsschreibung hat Sokrates und seiner Idee vom „unsichtbaren Erhabenen und der unterworfenen Materie“ Recht gegeben. Xanthippe verschwand im Haus, wurde als zänkische Ehefrau und Hausdrachen diffamiert. Es entstand das zweigeteilte Welt- und Menschheitsbild, eine symbolische Ordnung aus höheren und niedrigen, freien und abhängigen Sphären. Ina Praetorius aber zeigt neue Wege, die aus dem Chaos des Durcheinanders führen.
(B.O.)