Projekt Beschreibung

Die Lust zum Sündigen

MatriaVal, April 2012

Mary Daly und ihr Werk

Mary Daly (1928-2010) war eine feministische Philosophin und eine der wichtigsten Vordenkerinnen der Frauenbewegung.
In dem vorliegenden Buch wird ihr Leben und ihr Werk aus der Sicht von Wegbegleiterinnen und Freundinnen und Freunden beleuchtet. Der letzte und umfangreichste Beitrag ist die Diplomarbeit in Soziologie von Eveline Ratzel “Reine Lust – Elemental-feministische Philosophie. Eine Auseinandersetzung mit Mary Daly”.

Während ihrer Studienjahre in den USA und in der Schweiz errangt sie sechs Studienabschlüsse, darunter drei Doktorinnentitel in Religionswissenschaften, Theologie und Philosophie. Als sie 1999 nach dem Grund ihrer Zuwendung zur Theologie gefragt wurde, sagte sie bei einem Interview mit dem Gardian in London: “Ich hasse die Bibel, das habe ich immer getan. Ich habe nicht aus Frömmigkeit Theologie studiert. Ich habe es getan, weil ich wissen wollte”.
Mary Daly war davon überzeugt, dass die christliche Kirchenlehre aus einer Reihe von Verdrehungen bestand:

  • die Dreifältigkeit, die verdrehte dreifache Göttin, die einst weltweit verehrt wurde,
  • die unbefleckte Empfängnis, die verdrehte Parthenogenese, die einst göttliche Töchter hervorbrachte,
  • Adam, der Eva das Leben schenkt.

1978 erschien ihr bedeutendes Werk “Gyn/Ökologie”, in dem sie neben den Genitalverstümmelungen in Afrika auch alle anderen “systematischen, sadistischen Verbrechen des Patriarchats an den Frauen” aufgreift und benennt: die Witwenverbrennung in Indien, das Füße Einbinden in China, die Hexenverbrennung in Europa und die Gynäkologie in den USA im Gefolge der Nazimedizin. Mary Daly blieb aber nicht stehen beim Anprangen der die Frauen unterdrückenden Mechanismen, sie weist die Frauen auf Kräfte hin, die sie gegen diese zerstörerischen Strukturen entwickeln können. Sie fordert sie auf, die als frauenfeindlich enttarnten Kirchen zu verlassen und dafür im großen Stil zu “sündigen”. Das heißt, nach weiblichen Visionen und Welten “jenseits von Gottvater, Sohn und Co”. (Titel ihres dritten Buches 1973) zu suchen. Vor allem aber ruft die für ihr herzhaftes Lachen bekannte Mary Daly ihre Geschlechtsgenossinnen auf, die Monstrositäten der Patriarchen (wie z.B. die Erbsünde) zu verlachen, “denn es gibt nichts, was mit Frauen vergleichbar wäre, die aus vollem Halse lachen”.

Der Aufruf zu sündigen, bedeutet für sie nicht allein das Ende männlicher Vormachtstellung, sondern das Ende jeder Vorherrschaft. Es ging Mary Daly nicht darum, Männer durch Frauen auszuwechseln und damit das zerstörerische System beizubehalten, sondern um eine vollständige Erneuerung aller unserer Werte und Strukturen.

Mary Daly ruft Frauen als “Piratinnen in einer phallokratischen Gesellschaft” dazu auf, die Kleinodien des den Frauen geraubten alten Wissens zurück zu plündern und die Beute an andere Frauen weiter zu schleusen. Sie übte sich in der Praxis des Spinnens, in der Kunst des Knotens und Entknotens und enthüllte dabei die “Macht, den Bluff der Vordergrund-Welt durch den Glanz des Hinter-Grund-Seiens in den Schatten zu stellen”. Sie hat ein großes “B” für Be-ing (Sei-en) zur Verkörperung der Göttin als Verb verwendet und damit das Göttliche in allem Lebendigen erkannt.
Mary Daly schuf einen geistigen Raum und riss Grenzen ein, die Frauen befähigen, neue Wege des Denkens zu erschließen und sich über die männlich dominierte Philosophie und religiöse Hierarchie hinwegzusetzen.
Ihre Bücher (überwiegend übersetzt von Erika Wisselinck) können uns auch heute noch begeistern und befeuern.

(Barbara Obermüller)