Projekt Beschreibung
Die Frau als Mitschöpferin
Österreichische Hebammenzeitung, 05/2006
“In diesem Buch beschreibt Hanna Strack die Geburt als aktiven Schöpfungsprozess. Auf drei Ebenen vollzieht die Autorin einen Perspektivenwechsel: auf der philosophischen Ebene betrachtet sie im Sinne von Hannah Arendt das Geborensein und nicht die Sterblichkeit des Menschen als Grundkategorie der menschlichen Existenz. Die zweite Ebene betrifft das Bild der Frau, das sich von der Dämonisierung und Abwertung des Weiblichen in der biblischen Figur der Eva auflöst und in ihr die Urmutter alles Lebendigen wiedererkennt. Die dritte Perspektive sieht die Geburt eines Kindes nicht nur als physiologischen oder gar medizinisch-technischen Vorgang, sondern als Begegnung mit dem Heiligen. Hebammen waren einmal Mittlerinnen in einem spirituellen Wandlungsprozess. Heute, im Zeitalter der medikalisierten Geburt, ist diese Dimension verschüttet. Wie es dazu kam, zeigt die Autorin anhand historischer und theologischer Kontexte auf.
Die Beschreibung des spirituellen Gehalts der Geburt basiert vor allem auf Interviews mit sechs frei praktizierenden, erfahrenen Hebammen. Im Anhang sind die Interviews vollständig wiedergegeben. Traurig, dass kaum eine ein Vorbild aus der Geschichte der Hebammen oder aus der Gegenwart nennen kann, an dem sie sich auf ihrem Berufsweg orientieren konnte. Auch eine Hausgeburt, bei der Hanna Strack, selbst Mutter von drei Söhnen, dabei sein durfte, war eine wesentliche Erfahrung.
Auf diesem Hintergrund entwirft die ev. Pfarrerin im Ruhestand, die auch als Religionslehrerin und bei der Evangelischen Frauenhilfe tätig war, eine neue Theologie der Geburt. Sie stellt fest: ‚Die Zeit ist reif dafür, dass das Gebären wieder einen Platz in unserer Kirche bekommt. Die Geburt ist nicht die “Stunde der Not”, wie es in der Taufagende heißt, sondern die Stunde der Kraft der Frau. Die Mutter ist Mit-Schöpferin Gottes.’
Um dieser neuen Haltung einen rituellen Rahmen zu geben, bietet die Autorin Liturgien, Segenswünsche und meditative Texte an, wie zum Beispiel ‚Bausteine zu einer Segensfeier für Schwangere, Segen für die Geburtsarbeit, den Vater, das Kind, Segen für trauernde Eltern und Großeltern’ oder ‚An die Mutter, die nicht gebären kann’. Besonders berührend finde ich das Ritual, das die Hebamme in ihr Amt einführt. Dabei sind deren Aufgaben in einen größeren Zusammenhang gestellt, in Verbindung mit den biblischen Hebammenfiguren, als Initiation in eine neue Gebetskultur. Es schließt mit einem Gebet, in dem Gott so angesprochen wird:
‘… wie eine Hebamme
hast du ans Licht geholt,
wie eine Hebamme
hast du uns an die Mutterbrust gelegt,
wie eine Hebamme
hast du uns ins Leben begleitet.
So leite uns in unserem Leben,
hol uns immer wieder ans Licht …’
Dieses Buch kann ein Geschenk an sich selbst, an eine liebe Kollegin oder andere Menschen sein, die empfänglich sind für einen spirituell-historisch-theologischen Kontrapunkt zum üblichen technizistischen Blick auf die Geburt. Ein Segen zur rechten Zeit!
(Dorothea Rüb)