Projekt Beschreibung

Auf der Suche nach matriarchaler Spiritualität

Rhein Main Presse vom 12.1.2008

Abseits der Pfade patriarchaler Religiosität bewegt sich eine Neuerscheinung des Christel Göttert Verlages: “Was Philosophinnen über die Göttin denken” beschäftigt sich mit der Göttin und ihrem Stellenwert in der heutigen Gesellschaft. Schon das Autorinnen-Dreierteam steht dafür, dass keine einseitige Betrachtungsweise das Buch durchzieht, sondern Fragestellungen, Argumente und Sichtweisen vielschichtig sind.

Auf einer Tagung der Gerda-Weiler-Stiftung haben die drei Frauen Vorträge zu diesem Thema gehalten, aus denen nun ein Buch hervorgegangen ist. Heide Göttner-Abendroth, Begründerin der modernen Matriarchatsforschung, Leibphilosophin Annegret Stopczyk und Marit Rullmann, Herausgeberin des ersten Philosophinnen-Lexikons, haben sich auf sehr persönliche Weise mit weiblicher Spiritualität befasst. Dabei liegt der Schwerpunkt eher auf der argumentativen Entwicklung der Ideen und weniger auf einer letzten Wahrheit, mit der es den Leser zu überzeugen gilt.

Das Buch gliedert sich in vier Abschnitte; der erst ist betitelt mit “Ich brauche die Göttin nicht – oder?”. Darin formuliert Stopczyk ihre Gedanken, die aus einem Briefwechsel mit der verstorbenen Matriarchatsforscherin Gerda Weiler hervorgehen. Für Stopczyk ist die Göttin kein Abstraktum – sie geht stattdessen von einem eigenleiblichen Weisheitszustand aus, dem “Sophia-Erlebnis”. Dies sei ein “bestimmter Erkenntniszustand”, der “intimste innigste Zustand mit mir selbst”. Sie empfindet es als Einschränkung, an nur eine Göttin zu glauben, denn das bedeute, “das Universum ist nicht mehr offen, ich bin nicht mehr frei, zu forschen gibt es auch nichts mehr, alles ist beantwortet”.

Göttner-Abendroth legt unter der Unterschrift “Eine matriarchale Sicht auf die Göttin” dar, dass matriarchale Gesellschaften – weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit – den Begriff “Göttin” benutzen. Im Gegensatz zum unsichtbaren Gott sei die Göttin “die Welt mit allem, was darauf und darin ist”. Damit sei sie zugleich Geist und Materie, umschreibt Göttner-Abendroth diese Symbiose, mit der sie den allumfassenden und allschöpferischen Aspekt der Göttin betont.

Rullmann beschäftigt sich mit der “Wiederkehr der Göttinnen am Beispiel von Gerda Weiler und Luce Irigaray”. Für Weiler standen die Göttinnen für identitätsstiftende Symbole, die Frauen die Entwicklung eines Eigenmachtgefühls ermöglichen. Die Differenzphilosophin Irigaray forscht ebenso nach der Idee einer weiblichen Gottheit: “Es scheint, dass die Frau in gewisser Weise von Geburt an göttlich ist, dass sie das Göttlichsein mit dem Leben, dem Atem empfängt.”

Ein “E-Mail-Trialog” beendet das Buch: Fragen wie “Gibt es die Göttin? Was ist die Göttin?” Wird sie gebraucht?” beschäftigen die drei Philosophinnen, die nach der Universitätsphase dem akademischen Betrieb und damit der traditionellen Philosophie mit ihrer patriarchalen Prägung den Rücken gekehrt haben. Sie vertreten durchaus unterschiedliche Haltungen, doch es war ohnehin nicht ihr Ziel zu einer Übereinstimmung zu gelangen, sondern neue Fragestellungen und Klärungen zu finden.

(Nina Finkernagel)