Projekt Beschreibung

Mit-Schöpferin oder kranke Patientin?

Rhein Main Presse vom 8. Sept. 2006

Hanna Strack sieht die Geburt eines Kindes als Begegnung mit Heiligen an, die werdende Mutter nehme aktiv am Schöpfungsprozesse teil. Mit diesem Gedankengang, der gerade dem stark frauenfeindlichen Zug der frühneuzeitlichen Gebetsliteratur die Stirn bietet, versucht die 1936 geborene Pastorin im Ruhestand in ihrem Buch “Die Frau ist Mit-Schöpferin. Eine Theologie der Geburt” den spirituellen Gehalt dieses Erlebnisses für Eltern und Hebamme deutlich aufzuzeigen.

Was die Neuerscheinung im Christel Göttert Verlag so authentisch macht und sie bei Weitem keine theoretische Schrift sein lässt, sind Interviews mit frei praktizierenden Hebammen, auf die sich die Autorin maßgeblich stützt. Deren Aussagen dienen als Fundament, um von dort aus zentrale Begriffe – etwas Ergriffenheit und Seligkeit, Grenzerfahrung, neues Leben, Raum und Zeit, Geburtsschmerzen, Wehenarbeit, aber auch Krankheit und Sterben – mit Inhalt im Sinne einer Theologie der Geburt aus Hebammenperspektive zu füllen.

Eine Verhinderung all dieser Erfahrungen tritt nach Strack durch die Apparatemedizin des 20. Jahrhunderts ein: Ärzte sehen die Schwangere nicht als Mit-Schöpferin, sondern als kranke Patientin, ihren Körper gar als Objekt an, dessen Gebärschmerzen bekämpft werden müssen. Doch gerade diese Behandlung, zudem die regelmäßigen Untersuchungen und der Mutterpass, lassen eine Geburt pathologisch und als Risiko erscheinen, sodass sie den Blick darauf verwehrt, das Gebären dem sakralen Bereich zuzusprechen.

Da Hanna Strack der klinischen Entbindung kritisch gegenübersteht und stattdessen der intensiven und persönlichen Betreuung durch eine Hebamme bei einer Hausgeburt den Vorzug gibt, widmet sie sich in einem Teil ihrer Publikation der Geschichte des Hebammenberufes. In sechs Phasen beschreibt sie dessen sich wandelnde Funktion von der früheren Bestimmung der Hebamme als Priesterin bis hin zum zeitgenössischen Wirken. Diese Erweiterung um die historische Dimension zeigt nicht zuletzt, dass einst eine Verbindung von Geburt und Religion bestand – und zwar nicht vor dem Hintergrund eines Negativbildes der Frau, das erst der Eva-Mythos kreiert hatte.

Hanna Strack schafft es, einen Panoramablick auf den Übergang von der Geburtskultur hin zur Geburtsmedizin zu werfen und gleichzeitig nicht das eigentliche Ziel ihrer Arbeit aus den Augen zu lassen: Dass Frauen das Gebären als ein Schöpfungshandeln erfahren und durch angemessene Betreuung darin unterstützt und ermutigt werden sollen.”

(Nina Finkernagel)