Projekt Beschreibung
Der weibliche Blick auf die Welt
Schlangenbrut, November 2002
Die Verlegerin Christel Göttert
„Der weibliche Blick auf die Welt“ – das ist der Dreh- und Angelpunkt des Christel Göttert Verlages. Seit zehn Jahren sprechen die Bücher der Autorinnen vom weiblichen Sein in der Welt und überschreiten damit die Grenzen der Disziplinen.
“Ein Frauenverlag müsste es sein!”, schrieb Christel Göttert 1998 in den Sammelband “Ausgerechnet Bücher”. “All die vielen spannenden und wesentlichen Wahrnehmungen und Ausdrucksweisen von Frauenleben, die vielen Kompetenzen und wichtigen Sichtweisen, täglich in unmittelbarer Umgebung zu sehen und zu spüren, all dies könnte sichtbar werden und Wirkung haben.”
Als sie anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Rüsselsheimer Frauenzentrums darüber nachdachte, dass es eigentlich einen Katalog geben müsste, der die dortigen Kunstausstellungen dokumentiert, war die Idee zur ersten Veröffentlichung des Christel Götert Verlages geboren. Aus dem 1976 gegründeten Göttert Verlag ihres Schwiegervaters wurde vor zehn Jahren ein Frauenverlag, das erste Buch hieß “frauen-art” und die damals 50-Jährige begann einen neuen Schritt in ihrer Berufsbiografie, sie wurde Verlegerin. Woher sie den Mut dazu genommen hat? “Das entscheidende Thema war für mich seit Jahren die sexuelle Differenz. Dieses Denken weiterzutragen, war für mich ein Grund, in den Buchmarkt einzusteigen.”
“Der weibliche Blick auf die Welt” – das ist der Dreh- und Angelpunkt des Christel Göttert Verlages. Seit zehn Jahren sprechen die Bücher der Autorinnen vom weiblichen Sein in der Welt und überschreiten damit die Grenzen der Disziplinen. Ob das Veröffentlichungen von Luce Irigaray zur sexuellen Differenz, Aufsätze von Luisa Muraro zum Ende des Patriarchats, historische Porträts der Psychoanalytikerin Sabina Spielrein oder der Autorin Ilse Langner sind, die Mutter-Tochter-Geschichte von Marianne Krüll, der historische Band “Der weibliche Faden” oder das Kochbilderbuch von Lena Vandrey.
“Das Patriarchat ist zu Ende”, der Titel des 1999 erschienenen Bandes der Mailänder Differenzdenkerinnen ist für Christel Göttert zum Zentrum ihrer Arbeit geworden. “Für mich ist das Patriarchat zu Ende”, sagt sie. “Ich warte nicht darauf, dass die Gesellschaft sich verändert, für mich hat sie sich verändert, weil ich sie anders betrachte.” Ihr frauenpolitisches Engagement sieht sie mit dieser These nicht im Widerstreit – ganz im Gegenteil. “Es eröffnen sich neue Handlungsmöglichkeiten, wenn sich Frauen durch patriarchale Strukturen nicht länger ihr Handeln bestimmen lassen.” Die These vom Ende des Patriarchats lasse durch wenige Worte eine Energie wachsen. Dazu soll jedes ihrer Bücher beitragen. “Das ist unsere Antriebsfeder.” …
Vorbilder, oder wie die Affidamento-Frauen sagen “symbolische Mütter”, hat Christel Göttert – selbst Tochter, Mutter und Großmutter – viele. “Das gesellschaftliche Wissen von Frauen, ihre Erfahrungen und Spiritualität sind ein reicher Garten, darin fühle ich mich wohl und davon kann ich nicht genug bekommen.” … Der Christel Göttert Verlag versteht sich ausdrücklich als Teil der Frauenbewegung. “Wir machen nicht nur Bücher, sondern binden uns ein in Frauenprojekte”, sagt Christel Göttert. …
“Mit unserer Art zu arbeiten, mit der Konzentration auf jede Autorin, ihr Buch und den Prozess sind keine 20 Bücher im Jahr möglich.” Dass der kleine Rüsselsheimer Verlag vor zwei Jahren nach dem Aus des Wiesbadener Frauenverlages die feministische Rezensionszeitschrift “Virginia” mit ins Programm genommen hat, war für die Verlegerin eine inhaltliche, aber auch eine politische Frage. So hat sie auch die Restauflage von Erika Wisselincks “Frauen denken anders” übernommen. “Wir wollen das, was es nicht mehr gibt, wieder zugänglich machen und Verbreitungsmöglichkeiten dafür schaffen.”
Was die Zukunft bringen soll? “Ich bin Schwimmerin gewesen”, sagt sie. “Man muss auf den Sockel steigen und einen guten Startsprung schaffen, das Schwimmen kommt dann. Wir haben den Start geschafft und eine gute Position, um ins Wasser zu springen. Durch ein sehr ausbaufähiges Programm haben wir eine gute Grundlage erarbeitet. Das, was hinter uns liegt, gibt uns eine große Sicherheit – in der Einschätzung der Möglichkeiten, der Kräfte und des Wollens.”