Projekt Beschreibung
zwischen den welten
UnternehmerInnen INFO vom 12.3.2003
“… Erst in den 60er und besonders in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden innerhalb der Wissenschaft und Publizistik Fragen virulent, die sich an unsere Vorfahrinnen der vergangenen Jahrhunderte und deren Lebensverhältnisse richteten. Hierzu zählte auch die Frauenverfolgung – der Hexenwahn zu Beginn der Neuzeit. Frauenbewegte Forscherinnen wie Annette Kuhn, Silvia Bovenschen oder auch Claudia Honegger untersuchten die Genese und Aktualität des Hexenbildes. Die Beschäftigung mit dem Phänomen führte zu neuen Interpretationen und Deutungsmustern, die sich deutlich von den bis dahin vor allem von männlichen Historikern vorgelegten Untersuchungen wie beispielsweise Hugh R. Trevor-Ropers berühmten Essay ‚Der europäische Hexenwahn des 16. und 17. Jahrhunderts’ unterschied, der sich in seinen Deutungen vor allem auf die Handbücher der Inquisitoren stützte. Die Heranziehung der juristischen und geistlichen Rechtsprechung als aussagekräftige Quelle ist für HistorikerInnen die Grundlage der Forschung, birgt in sich indessen ein profundes Problem: Die als Hexen bezeichneten Frauen tauchen nur in der Sprache ihrer Peiniger auf, und hierin liegt eine zentrale Schwierigkeit. Die verfolgten, gepeinigten, gefolterten und schließlich als Hexen ermordeten Frauen haben keine eigenen Dokumente hinterlassen, so dass die Auseinandersetzung mit deren Leben und die erneute Erwähnung der furchtbaren Leiden stets die Gefahr in sich barg, Identifikationsmuster erneut zu beleben, die sozusagen höchst fragwürdige Geschichtsbilder perpetuieren.
Mit ihrem Buch ‚zwischen den welten’ ist der Frankfurter Bildhauerin und Schriftstellerin Eva-Gesine Wegner nun eine interessante Synthese gelungen. Mit ihrer Dokumention über die Aufarbeitung einer nicht zuletzt durch wirtschaftliche Interessen vielfach gerne wieder in Szene gesetzten Thematik, lässt Eva-Gesine Wegner die LeserInnen teilnehmen, an der Beschreitung eines einzigartig persönlichen Itinerariums, das alle jetzt lebenden NachfahrInnen lehrt, dass Geschichte in die Zukunft weisen und das Leiden der als Hexen verbrannten Frauen transzendiert werden kann in eine aktive Rolle der Versöhnung und Wiederherstellung der Menschenwürde. Es ist gut, dass Eva-Gesine Wegner nach über zehn Jahren die ganz persönlichen Erfahrungen ihres Schaffensprozesses und die daraus resultierenden Konfrontationen mit jetzigen Amts- und Würdeträgern dokumentiert hat, die zeigen, dass die Aufarbeitung eines sehr traurig stimmenden und dunklen Kapitels der (Kirchen-)Geschichte, welches die damaligen kirchlichen Amtsträger und deren rechtsprechende Handlanger zu verantworten haben, nach wie vor offenbar ein Tabu ist. Abt, Prior und Konvent des Klosters in Loccum, ein siebenköpfiges Männergremium, entschied einstimmig darüber, ein Ehrenmal im Klosterbezirk zum Gedenken an die Frauen und Männer, die der Hexenjagd zum Opfer gefallen sind, abzulehnen, denn, so die Befürchtungen, in einem inoffiziellen Gespräch, man habe Angst, Loccum könne zum Wallfahrtsort werden. In einer anschaulichen Landkarte auf Seite 2 ihres Buches vermittelt Eva-Gesine Wegner den LeserInnen, mit welchen Orten sie in besonderer Verbindung stand, um gemeinsam mit anderen engagierten Frauen und Männern, der von Kirche und Justiz verfolgten Frauen ehrend zu gedenken. Im Gegensatz zu den so ängstlichen Amt- und Würdenträgern des Klosters in Loccum sollten sich LeserInnen durchaus als Eingeladene empfinden, diese Orte – vielleicht im Rahmen einer Gedenkreise – zu besuchen, um dort nicht allein der Opfer zu gedenken, sondern auch, um die so eindrucksvollen und überzeugenden Arbeiten der Künstlerin Eva-Gesine Wegner würdigen zu können.”
(Dr. Gerlinde Kraus)