Projekt Beschreibung
Manawa Toa
Virginia, März 2004
“Ich gebe zu … ich liebe Cath. Sie ist eine Schwester. Meine pazifische Schwester.
Mich interessiert, was sie zu sagen hat. Ich stimme mich auf sie ein, auf ihre Art Geschichten zu erzählen. Es ist wie bei einem aufmerksam geführten Gespräch. Das Erzählte entfaltet sich mir vor meinem inneren Auge. Plötzlich bin ich Begleiterin und die ganze Fülle des Buches offenbart sich mir, berührt mich.
Cathie Dunsford – verwurzelt in der Maorikultur und feministisch lesbische Aktivistin – schildert in ihrem Buch Manawa Toa das alltägliche Leben innerhalb der Maori-Community und dem darin eingebetteten vielfältigen politischen Kampf, der sich unter anderem insbesondere gegen die Wiederaufnahme der Atombombenversuche 1995 im Südpazifik durch die französische Regierung richtet. Manawa Toa heißt das Schiff der pazifischen Friedensbewegung, das gemeinsam mit Rainbow Warrior II vor Moruroa versuchte, diese erneuten Atombombenversuche zu stoppen.
Cathie Dunsford schreibt im Stil des Geschichtenerzählens, schreibt in der südpazifischen Erzähltradition: beschreibend, manchmal märchenhaft, selbstbewusst, aber auch verletzt und mit einer Wahrnehmung der Wirklichkeit, in denen Zufälle nicht zufällig, sondern bedeutend sind. Auch von Wirrungen in Gefühlen und Liebesbeziehungen erzählt sie, sowie von Klarheit, Wärme, Zuneigung und Frauenliebe.
Cowrie ist die Protagonistin, die wir in Manawa Toa begleiten. Getragen von einem tiefen Gespür spiritueller Kraft bewegt sie sich gleichzeitig in ganz alltäglichen Begegnungen mit Freundinnen, ist misstrauisch gegenüber Weißen (Pakehas) aufgrund rassistischer Erfahrungen, wütend und empört gegenüber sexueller Gewalt, erschreckt über das Ausmaß der radioaktiven Verseuchung im südlichen Pazifik durch die vorangegangenen Atomversuche der französischen Regierung, schockiert über die vermehrten Geburten von missgebildeten Babies auf den südpazifischen Inseln im Umkreis des Moruroa Atolls.
Aufmerksame Leserinnen und Leser erfahren von den Schwierigkeiten, festgefahrene traditionelle Rollenverteilungen zwischen Frauen und Männern zu verändern. Wir erfahren von Cowries eigenen Gefühlen von Verliebtsein, Verbundenheit, Nähe, Distanz, Loslassen, von ihrem Engagement und ihrem Mut im praktischen politischen Handeln. Und in dieser realen Welt erleben wir immer wieder die mystisch-spirituelle Ebene, die viele Begebenheiten durchdringen – manchmal auch voller Erstaunen erst im Nachhinein, im Rückblick.
Das bisher Beschriebene ist jedoch nur ein Teil, eine Seite von Manawa Toa. In dem anderen Teil, der anderen Seite von Manawa Toa lernen wir Laukiamanuikahiki, die uralte Schildkrötenfrau, kennen.
Laukiamanuikahiki, durch die wir die menschliche Sichtweise und Erfahrungsebene verlassen, lässt uns durch ihre Beschreibungen der Unterwasserwelten und Unterwassergeschöpfe, den “Fins” (die Geschöpfe mit Flossen = Fins), die Tragweite menschlichen Handelns und der daraus resultierenden Zerstörung erfahren. Wir erleben durch Laukiamanuikahiki Erschöpftsein, Trauer, Wut. Zugleich erinnert sie uns, ohne dabei die politisch Verantwortlichen aus den Augen zu verlieren, an die Kraft und Stärke, die aus der Liebe, Verbundenheit und Zärtlichkeit im spirituellen Sinne wächst. Und sie vermittelt die Gewissheit, dass jede Handlung, jeder Widerstand nur mit dieser inneren Haltung letztendlich nachhaltige Veränderungen zum Besseren erwirken wird.
Alles was in Manawa Toa an Geschehnissen geschildert wird, ist von den Fakten her belegt. Die Atomversuche konnten nicht verhindert werden. Aber durch den breiten Widerstand, war die französische Regierung gezwungen, die Anzahl der Atombombenversuche zu reduzieren.
Die gesundheitlichen, lebensbedrohlichen und erbgutschädigenden Folgen für die einheimische pazifische Bevölkerung durch die ober- wie unterirdisch durchgeführten Atombombenversuche im pazifischen Raum werden von der französischen Regierung noch immer weitgehend verschwiegen, ignoriert und zum Teil geleugnet.
Die französische Regierung muss aufgefordert werden, die Verantwortung zu übernehmen.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen anregenden und berührenden Lesegenuss.”
(Lili Neuhaus)