Projekt Beschreibung

Mit Lachen die Geschlechterordnung aushebeln

Virginia, Oktober 2003

“Obwohl Elizabeth von Arnim eine bekannte und viel gelesene Autorin ihrer Zeit war, hat sich die Forschung noch kaum mit ihrem Werk beschäftigt. Sie fiel, wie viele Autorinnen, durch das Raster männlicher Kanonbildung, das lange Zeit allein ihrer etwas jüngeren Zeitgenossin Virginia Woolf einen Platz einräumte. Marianne Flassbecks literarwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Elizabeth von Arnim ist daher ein Meilenstein in der Arnim-Forschung. Und dies nicht nur weil es die Verfasserin versteht, die vielfältigen, subtilen, und feministisch subversiven Wirkmechanismen des erzählerischen Humors der Autorin in ihren Texten sichtbar zu machen, sondern auch, weil hier ein Beitrag zur Beschreibung eines spezifisch weiblichen Humors geleistet wird. Dabei gelingt es Marianne Flassbeck, den Witz und die Vitalität des Schreibens der Elizabeth von Arnim wissenschaftlich präzise zu erfassen, ohne das geschlechterkritische Glitzern dieser Texte mit dem Netz grauer Theorie zu überdecken.

Zur Erhellung des subversiven Mutterwitzes in den Erzählstrategien der Autorin setzt Flassbeck die aktuellen geschlechterkritischen Konzepte der Literaturwissenschaft ein. Sie zeigt, wie die Ambivalenz und Vielschichtigkeit von Komik und Humor sich mit der Duplizität des Schreibens verbindet, mit der Frauen die Ambivalenz ihres Standortes in einer männlich geprägten Gesellschaft zur Sprache bringen und under cover kritisieren. Dies reicht bei Elizabeth von Arnim von palimpsestartig verborgener Geschlechterkritik unter dem Deckmantel scheinbar belangloser Konversation bis in die Konzeption weiblicher Figuren, die in einem Spannungsfeld von naiver Angepasstheit und eigenständiger Urteilsfähigkeit Patriarchatskritik aufblitzen lassen. Für die Beschreibung des Unterlaufens herkömmlicher Sinngebung durch Komik zieht Flassbeck die semiotischen Überlegungen von Julia Kristeva heran. Flassbeck zeigt auch, wie Michail Bachtins Theorie des Karnevalesken, in dem Hierarchie zeitweilig auf den Kopf gestellt und Autorität dem Lächerlichen preisgegeben wird, in Elizabeth von Arnims Erzähltexten dauerhaftere Gewichtigkeit erlangt. Die allmähliche Lockerung konventionellen Rollenverhaltens bei den vier ohne ihre Männer an der italienischen Riviera urlaubenden Frauen in The Enchanted April, dt. Verzauberter April (1922) führt bei jeder von ihnen zu einem Entwicklungsschub, der über diesen Ausnahmezustand hinausweist.

Als spezifisch weibliche Schreibweise arbeitet Flassbeck das weitgehende Fehlen eines dem Humor und der Komik anhaftenden Überlegenheitsgestus heraus, der auch in dem Rückzug der leserlenkenden Erzählerin hinter die Kulissen des Geschehens zum Ausdruck kommt. Während damit ein, wenn auch durchaus positiv zu verstehendes, Geschlechterstereotyp bestätigt wird, so ist vor allem die Herausarbeitung des umstürzlerischen Potentials der weiblichen Lachkultur von brisanter Bedeutung. Es verwundert nicht, dass eine männlich bestimmte Kulturwissenschaft dies als bedrohlich empfunden und bisher geflissentlich übersehen hat. Insgesamt wird uns in diesem Buch einiges vom aktuellen Stand der Geschlechtertheorie im Zuge spannender Textinterpretationen unangestrengt und überzeugend in der Anwendung in einer Weise nahe gebracht, die des großen argumentativen Gestus gar nicht erst bedarf.

Vier zentrale Romane aus dem umfangreichen Oeuvre von Elizabeth von Arnim, die übrigens auch ins Deutsche übersetzt wurden, werden im Einzelnen besprochen. Sie sind sehr unterschiedlicher Art. In ihrem deutlich autobiographischen Erstlingswerk Elizabeth and Her German Garden, dt. Elizabeth und ihr Garten (1898) beschreibt die Autorin nicht nur ihren Garten als Freiraum kreativer Gestaltung, sondern unterwandert dabei auch patriarchale Vorstellungen durch parodistische Anspielungen auf kulturell vorgeprägte Gartenvorstellungen und damit verbundene philosophische Konzepte. The Enchanted April (1922) entwirft eine Komödienwelt, in der unterschiedliche Standorte von vier Frauen in einer selbstgewählten Urlaubsgemeinschaft eine doppelbödige Patriarchatskritik erzeugen.In Vera, dt. Vera (1921), einer Ehegeschichte in der Form eines Schauerromans, artikuliert der Humor die paradoxe Verbindung von ästhetischem Spiel und gesellschaftlicher Auflehnung, nimmt die Komik groteske Züge an – wiederum eine Form des feministischen Protests, deren heutige theoretische Begründung mitgeliefert wird. Dass dabei das Unheimliche in diesem gruseligen Eheroman im Alltäglichen verortet ist, gehört ebenfalls in eine weibliche Schreibtradition. Dabei ist die Macht des Ehemanns am Ende keineswegs gebrochen, wohl aber ins Groteske verzerrt. In dem Roman Love, dt. Liebe (1925) wird die männlich definierte Liebe innerhalb einer konventionellen Ehe und die Festlegung der Frau auf ein körperliches Schönheitsideal in komischer Übertreibung provokativ aufgezeigt.

Zu den Strategien einer verdeckten, aber durch Überraschungseffekte umso wirkungsvolleren Patriarchatskritik mittels komikerzeugender Bedeutungsverschiebungen gehören auch die zahlreichen literarischen Anspielungen in den Texten von Elizabeth von Arnim, etwa auf Shakespeare, Jane Austen, die Gattung des Schauerromans oder das Motiv der zweiten Ehefrau. Im Aufspüren dieser intertextuellen Bezüge stellt Flassbeck die Romane in eine literarische Tradition, die erkennen lässt, auf welchem kulturellen Hintergrund Elizabeth von Arnim schrieb.

In diesem Buch über eine “Gauklerin der Literatur” wird uns am Beispiel einer interessanten Autorin der klassischen Moderne die Funktion weiblichen Humors für die Vermittlung subversiven Bedeutungspotentials differenziert vor Augen geführt. Dabei treffen Mutterwitz einer Wissenschaftlerin und Mutterwitz einer um mehrere Generationen älteren Autorin aufeinander und verbinden sich zu einer aktuellen geschlechterkritischen Aussage. Der ebenso unangestrengt präzise wie anspruchsvoll unterhaltende Stil von Marianne Flassbeck, wie auch die ansprechende Aufmachung des Buches, das alle englischen Zitate mit einer deutschen Übersetzung versieht, machen es zu einer ebenso vergnüglichen wie lehrreichen Lektüre.”

(Natascha Würzbach)