Projekt Beschreibung

Provozierend, intelligent, frech und weise…

Wolfsmutter.com vom 13.2.2005

… führt Dagmar Margotsdotter-Fricke uns auf einem großangelegten Streifzug durch unsere patriarchalische Gesellschaft zu den Wurzeln unserer weiblichen Kulturgeschichte. Von der His-Story zur Her-Story – eine wunderbare, neue alte, matriarchalische Sichtweise auf das monatliche Wunder des Frauenkörpers. Ein schlechtes Buch lässt meine Gedanken ständig und so weit abschweifen, dass ich auch nach zahlreichen Versuchen nicht zum Text finde. Ein gutes Buch fesselt mich so sehr, dass ich ganz im Text aufgehe und dranbleibe – von der ersten bis zur letzten Zeile.

Ein ausgezeichnetes Buch berührt und inspiriert mich auf eine Art, dass meine Gedanken auf fruchtbare Wanderschaft geschickt werden, um immer wieder zum Text zurückzukehren, so dass der Akt des Lesens zu einer bereichernden Interaktion wird. Ein solches herausragendes Lektüreerlebnis durfte ich mit Margotsdotter-Frickes Buch über die Menstruation erfahren.

Der Autorin geht es dabei nicht um eine biologistische Sichtweise auf das Thema, sondern sie spannt einen breiten Bogen durch die Kulturgeschichte: von der Sprache und Erzähltradition über die Machenschaften von Hygieneindustrie und Gynäkologie bis zu Tabuisierung und Spiritualität. In Interviews lässt sie auch Frauen zu dem Thema zu Wort kommen und stellt Expertinnen vor, die sich beruflich auf originelle und wertschätzende Weise der Menstruation widmen.

Wer hat nicht schon mal das Schimpfwort ‚blöde Sau’ oder ‚Schweinepriester’ gehört – dass die Sau in matriarchalischen Zeitaltern jedoch ein heiliges Tier und die ‚SchweinepriesterInnen’ hochangesehene WürdenträgerInnen waren, das wissen heute wohl nur mehr wenige. Margotsdotter-Fricke weiß es. Mit diesem und vielen anderen Beispielen aus der deutschen Sprache verdeutlicht sie, wie matriarchalische Strukturen zu Gunsten von patriarchalischen nach und nach – gewaltsam und bewusst – aus dem allgemeinen Denken verdrängt wurden; wie die Sprache dazu benutzt wurde (und wird), um Frauenbewusstsein zu eliminieren. Sie bietet Möglichkeiten und Varianten an, wie wir uns unsere Muttersprache zurückerobern können, wie wir sie wieder zu einer Sprache machen können, in der wir Frauen nicht nur “mitgemeint” sind, sondern aktiv darin vorkommen.

Ähnlich wie auch Sylvia Schneider in ihrem Buch ‚Goldgrube Gynäkologie’ (2004) macht Margotsdotter-Fricke deutlich, wie die moderne Gynäkologie Frauen zu kranken Wesen macht, um an ihnen zu profitieren, wie das Frau-Sein mit allen natürlichen und vielseitigen Facetten pathologisiert und somit kommerzialisiert wird. Dass man/n an Frauen gut und viel verdienen kann, demonstriert die Autorin an den großen Herstellern für ‚Hygiene-Artikel’, wobei sie aufzeigt, dass diese Artikel sehr oft erst wirklich krank machen. Am Beispiel des Grimmschen Märchens vom ‚tapferen Schneiderlein’ macht Margotsdotter-Fricke deutlich, wie ursprünglich matriarchalische Überlieferungen umgeschrieben wurden, um ihnen eine dem Patriarchat nützliche Aussage zu geben.

Dass das Thema Menstruation auch in unserer heutigen aufgeklärten, emanzipierten Gesellschaft immer noch ein Tabu ist, das es zu verdrängen gilt, machen uns z.B. allabendlich diverse Binden-, Tampons- und Slipeinlagen-Werbungen deutlich:

man/n darf nichts von diesem natürlichen, fruchtbringenden Vorgang mitkriegen, spüren, riechen.

Dass ein Tabu im ursprünglichen Sinne jedoch stets ‚Dinge und Geschehnisse, die heilig und/oder mächtig sind, so dass sie nicht ohne besondere Kenntnisse und/oder Gefahren angesprochen, berührt oder benutzt werden dürfen’ (S. 118) meint, lässt das Ganze in einem anderen Licht erscheinen: bis ins letzte Jahrhundert hinein herrschte ‚ein so großer Respekt vor der Magie des Menstruationsblutes, dass es tabuisiert wurde, um Schaden abzuwenden’ – ein Zeichen für die Achtung vor dieser mächtigen Magie der Frau. Margotsdotter-Fricke spannt einen weiten Bogen von den uralten Weiblichkeits-Kulten und Frauen- und Muttergöttinnen bis zu neuen (bzw. wiederentdeckten alten) Möglichkeiten, spirituelles Frausein im modernen Alltag erfahren zu können: Trancetanz, Trommeln, das Erleben von Ekstase.

(Andrea Hirn)