Projekt Beschreibung
Vätern einen Platz geben
www.bzw-weiterdenken.de vom 17.3.2008
Argumente und Anregungen für neue Modelle der Elternschaft
von Antje Schrupp
“Überkommene Väterkonzepte haben ihre Überzeugungskraft eingebüßt, und die neuen bleiben vielfach unglaubwürdig” – mit dieser Beobachtung bringt Andrea Günter den höchst unbefriedigenden Zustand der gegenwärtigen Debatte über die soziale Rolle von Vätern auf den Punkt. Mit ihrem kleinen Büchlein “Vätern einen Platz geben” leistet sie einen wichtigen Beitrag dazu, den schädlichen Trend zu einem biologistischen oder nur rechtlichen Verständnis von Vaterschaft kritisch zu hinterfragen und stattdessen neue, zukunftsfähige Modelle zu diskutieren. Denn: “Die Vaterschaft gibt es nicht. Es gibt aber unterschiedliche Weisen von Vaterschaften – ebenso wie unterschiedliche Ansprüche an sie.”
Vaterschaft ist nichts, was sich einfach von selbst versteht, sondern eine soziale Rolle, die gesellschaftlich verhandelt werden muss. Weder sind Väter einfach eine männliche Variante von Müttern, denn die zeitliche und unter Umständen auch räumliche Distanz zwischen Zeugung und Geburt ist ein Umstand, der nicht einfach ignoriert werden kann: Während bei der Zeugung immer beide, Vater und Mutter, zugegen sind, ist “im Moment der Geburt der Vater nur dann anwesend, wenn die Mutter die Beziehung zu ihm stiftet”, wie Günter schreibt. Die Geburt “ist nicht nur biologisches Geschehen, sondern das soziale Moment, das Elternschaft begründet. Sie zeigt die vielfältigen sozialen Bezüge und Interessen an, die eine Frau als Gebärende gestalten kann.”
Sehr lehrreich ist die geschichtliche Rückschau, die Andrea Günter bietet. Dass gegenwärtig die Vaterschaft diskutiert werden muss, ist ja auch eine Folge davon, dass Frauen sich zunehmend aus einer patriarchalen Fremdbestimmung befreit haben, die auf vielfältige Weise dafür sorgte, dass trotz der “Unsicherheit der Zeugung” Männern die Kontrolle über Mutter und Kind garantiert wurde. Diese “väterliche Gewalt” wurde schließlich im 18. Jahrhundert zu einem Naturrecht erhoben (und in ihrem sozialen Ursprung damit verschleiert). Zwar geriet durch die Industrialisierung dieses Vaterbild in eine Krise, insofern Väter immer weniger in der Lage waren, die wirtschaftliche Sicherheit “ihrer” Familien zu garantieren. Doch obwohl sich die Geschlechterrollen heute geändert haben, ist die Rechtsprechung als solche – bei aller Gleichheitsrhetorik – noch nicht entpatriarchalisiert: “Überprüfen wir die rechtlichen Entwicklungen in Kontinuität mit der Geschichte der Väterrechte, so drängt sich der Eindruck auf, Väter hätten nun Mittel gefunden, neue Vaterrechte auf alten Wegen zu stabilisieren”, schreibt Günter.
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Es ist … gut, dass Andrea Günter in ihrem Büchlein konfrontative Argumentationen vermeidet und die Debatte sachlich und nüchtern führt. Sie setzt darauf, dass Frauen trotz allem “neue Wege und Sprechweisen finden, Schwangerschaften einzubringen und Vaterschaften zu bezeugen.” Denn gleichwohl gilt, dass das Patriarchat zu Ende ist, dass “kaum einer mehr den Zwang zur Zeugungs- und Gebärkontrolle über Frauen teilt. … Jede Gesetzgebung kann unterlaufen und muss präzisiert werden.”
Günter plädiert dafür, für das Verständnis von Vaterschaft nicht länger das um das Paar von Mann und Frau gruppierte Modell der Kleinfamilie zugrunde zu legen, da diese heterosexuellen Paarbeziehungen heute weniger stabil denn je sind. Vielmehr sollten “die Beziehungen und die Lebensräume von Müttern, Kindern und Vätern weiträumiger gedacht werden.” Nicht idealistische Lebenskonstellationen, “sondern vor allem die Anstrengungen der Bindungspraxis ‚Elternschaft’” seien in den Blick zu nehmen: “Aus der Forderung nach der persönlichen Verantwortung für die Gestaltung von lebendigen und erfüllenden Beziehungen folgt, dass Elternkonstellationen nicht eindeutig sein müssen, sondern von Individuen und ihren Vorstellungen unterschiedlich geprägt werden können.”
Es ist daher logisch, dass Andrea Günter nicht mit einfachen Antworten aufwartet, sondern am Ende ihres Textes offene Fragen formuliert. Für Vaterschaft gilt nämlich dasselbe, wie für Mutterschaft: Sie ist keine Naturtatsache, die sich erforschen und juristisch festlegen ließe, sondern eine Gestaltungsaufgabe mit offenem Ausgang. Dabei gilt, wie Günter schreibt: “Die Position des Vaters ist nicht mit der Mutter identisch. Die Frage der Vaterschaft ist eine andere Frage als die der Mutterschaft. Die Aufgabe, Vätern einen Platz zu geben, ist eine eigenständige Aufgabe und bleibt eine eigene Anstrengung. Diese unterscheidet sich davon, wie eine Mutter ihren Platz einnimmt, wie sie ihn ausfüllt und welchen Fragen sie sich hierbei stellen muss.”
Es ist zu wünschen, dass dieses Büchlein eine große Verbreitung findet und zum Ausgangspunkt für zahlreiche persönliche wie gesellschaftliche weiterführende Diskussionen wird.