Projekt Beschreibung

Gauklerin der Literatur

zweiwochendienst Frauen und Politik, Nr. 202, Dez. 2003

“Das weibliche Lachen ist rebellisch und fängt dort an, wo Worte nicht sein dürfen – ein weibliches ‚Nicht-Sprechen’ eben. Die Autorinnen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nutzten es, um aus streng patriarchalischen Gesellschaftszwängen auszubrechen und um einen eigenen Raum zu finden. So auch die englische Autorin Elizabeth von Arnim (1866-1941), die zu ihrer Zeit sehr populär und auflagenstark war. Dennoch wurde sie wegen ihres harmlos-charmanten Witzes als literarisches Leichtgewicht abgetan.

Die Literaturwissenschaftlerin Marianne Flassbeck räumt mit diesem Vorurteil gründlich auf. In ihrer Monographie ‚Gauklerin der Literatur’ verfolgt sie spielerisch die Humoresken, Anspielungen und frechen Wortgeplänkel der Autorin. Dabei entdeckt Flassbeck eine ganz neue Textebene, die die konventionelle Rollenverteilung infrage stellt. Die oft ‚frappierend naiven’ weiblichen Romanfiguren erfüllen vordergründig pflichtschuldig die an sie gestellten Erwartungen, entlarven in ihren arglosen und manchmal ‚kindlichen’ Dialogen jedoch die bigotte Männerwelt. So kritisiert von Arnim im leichten Plauderton beispielsweise die Ausschließlichkeit, mit der Frauen auf die Mutterrolle festgelegt wurden, oder umgeht gewandt das Heiratsplot, ein bevorzugtes Ende viktorianischer Romane. In ihrer impressionistischen Betrachtungsweise erkundet Flassbeck vier Romane der Autorin und zeigt auf, wie der weibliche Humor die sichtbare Textebene, die die gängigen Schreiberwartungen erfüllt, unterläuft.

Flassbeck untermauert ihre Betrachtungen mit Hilfe der feministischen Theorie über geschlechterdifferenten Humor, der das weibliche Lachen als einen non-verbalen Code ansieht, der unterdrückte weibliche Selbsterfahrung artikuliert und sogar dazu animiert aus den präskriptiven Rollenerwartungen auszubrechen – eine ‚Art Zündstoff’, der von LiteraturkritikerInnen beharrlich ignoriert, von anderen Literatinnen jedoch durchaus wahrgenommen wurde …”

(aj)