Projekt Beschreibung
„Wir dachten alles neu“
go 40, 1/11
Ich las das Buch zweimal. Das erste Mal war ich fasziniert von der kämpferischen Erika, von all den Schwierigkeiten, die sie als Feministin schon in den fünfziger und sechziger Jahren bewältigen musste, und ich war ebenso genervt von den Widerständen, die jede kluge Frau von dummen Männern (und Frauen) zu erwarten hat. Mein erster Impuls beim Lesen war: Ich will gar nicht so genau wissen, wer ihr alles Steine in den Weg gelegt, sie gedemütigt, sie bekämpft hat.
Die meisten Geschichten kannte ich aus ihren persönlichen Erzählungen. Ich hatte sie gelegentlich in Strasslach besucht, ihrer Katze Adele meine Aufwartung gemacht und mich dann zwischen den Bücher- und Zeitschriftenstapeln, zwischen Notizen, Kissen, Decken niedergelassen, um mit Erika zu plaudern und ihren – zugegeben dünnen – Tee zu trinken. Ihr hemmungsloses Lachen riss mich aus dem Diwan, und ihr Wunsch, mehr in der Natur zu sein, Wind und Wetter zu spüren, die Düfte zu riechen – so wie ich –, berührte mich.
Ihr Feminismus war ein Produkt ihres scharfen Verstandes, mein Feminismus war eher anarchistisch, aufrührerisch, sinnlich. Ich verachtete die Institutionen, die für sie noch wichtig waren, in denen sie eine feministische Strömung einbringen wollte. Deshalb legte ich beim ersten Lesen dieses Buch beiseite und dachte: Ich will gar nicht wissen, welche Probleme sie mit ihrer Mutter hatte und wie krank sie schließlich war.
Doch las ich das Buch ein zweites Mal. Diesmal zog mich Gabriele Meixners genaue Beobachtung und akribische Recherche in ihren Bann. Denn Erika Wisselincks Geschichte ist auch die Geschichte der neuen Frauenbewegung. Die Hindernisse und Widerstände, auf die Erika traf, sind auch die, die wir alle kennen, wenn wir die Rechte von Frauen einfordern. Ich lernte Erika Wisselinck in dieser Biographie neu kennen. Ihre Geschichte bereichert mich, ich lerne aus ihr und ich hoffe, dass viele Frauen die Gelegenheit wahrnehmen, über Erika Wisselinck mehr über die Geschichte der Frauenbewegung zu erfahren.
(Luisa Francia)