Projekt Beschreibung
Im postpatriarchalen Durcheinander
FAMA, 4/2021
Über das Ende des Patriarchats und das Durcheinander, das daraus folgt denkt, schreibt und spricht Ina Praetorius schon länger. Nun hat sie ein Buch darüber veröffentlicht. Ausgehend von Xanthippe, die wehklagt statt hinzunehmen, dass Sokrates seinen Tod als Übergang zum eigentlichen Leben begrüsst, beschreibt sie, was es heisst, die Zweiteilung der Welt zu überwinden: „Menschen kommen … durcheinander als abhängige Winzlinge in die Welt. Die Welt ist schön und schrecklich zugleich und mit hoher Wahrscheinlichkeit der einzige Raum, den wir bewohnen können.“ Aus dieser Wertschätzung der materiellen Bedingungen des Menschseins leitet sie die Notwendigkeit ab, über ein „gutes Leben mit Scheisse“ nachzudenken.
Die Verheissung eines idealen Jenseits findet die sie ausser bei Aristoteles und Platon sowohl in Glaubenssystemen als auch in den Erwartungen an die Wirtschaft, den Konsum und die Work-Life-Balance, die das eigentliche Leben auf später vertagen. Stattdessen plädiert Praetorius für eine „Ökonomie der Geburtlichkeit. Sie spinnt weiter, was Xanthippe hätte sagen können, und entwirft eine diesseitige Vorstellung, wie gutes Leben hier und jetzt gelingen kann.
Damit wandelt sich auch die Vorstellung von Gott. Ina Praetorius spricht vom ANDEREN, vom UNVERFÜGBAREN oder vom DAZWISCHEN. Sie beschreibt zwei postpatriarchale relegiöse Praxen: das individuelle Einüben ins Jasagen, das Dasitzen und Sortieren, und das gemeinsame Hinsetzen mit anderen zum Erzählen, Singen, Tanzen, Schweigen und Planen, „damit das gute Leben mit Scheisse auch an Werktagen gelingt“.
So klein dieses Büchlein ist, es enthält viel Stoff zum Nachdenken und Weiterdenken. Literaturangaben erlauben die weitere Vertiefung. Ina Praetorius löst damit ihren Anspruch ein, „zu erklären, was das postpatriarchale Durcheinander ist und wie eine am besten so in ihm klarkommt, dass Neues entsteht“.
(Anne Lehnert)