Projekt Beschreibung
Ein Buch, unter Schmerzen geschrieben
Rüsselsheimer Echo, 24.9.2011
Literatur: Die deutsch-iranische Autorin Barbara Naziri stellt ihr Werk “Grüner Himmel über schwarzen Tulpen” vor
Es schwingt ein bisschen Wehmut mit, wenn Barbara Naziri vom Iran erzählt. Als Deutsche mit iranischen Wurzeln bedeutet das Erscheinen ihres Buches “Grüner Himmel über schwarzen Tulpen – Ein west-östlicher Blick hinter den Schleier Irans” zugleich einen Abschied von dem Land und ihrer Familie dort für lange, unbestimmte Zeit. Barbara Naziri las am Donnerstagabend in der Rotunde des Rathauses aus dem Buch, in dem sie ihre vielseitigen Reise-Erlebnisse und -Beobachtungen schildert.
Es geht ihr nach eigener Aussage vor allem darum, das einseitige, von Medien geprägte Bild, das im Westen vorherrsche, zu überarbeiten: “Ich möchte einen völlig anderen Blick vermitteln. Ich möchte mit dem Buch die vielen Gesichter zeigen, die man hierzulande nicht kennt. Ich habe das Buch unter Schmerzen geschrieben, aber nach dem Ausgang der manipulierten Wahl 2009 und dem Iranischen Frühling war mir klar, dass ich etwas tun musste.” Die Lesung stand unter dem Titel “Brücken bauen zwischen den Kulturen”. Für die vielen Interessierten, die sich im Rathaus einfanden, reichten die Stühle nicht aus. Der Magistrat der Stadt, das Büro der Frauenbeauftragten sowie der Ausländerbeirat veranstalteten diese Lesung. Der Eintritt war kostenlos.
Um die Zuhörer einzustimmen, zeigte die Autorin zunächst eigene Fotografien aus dem Heimatland ihres Vaters. Zu orientalischen Klängen liefen Bilder von farbenprächtigen Märkten, traditionellem iranischen Kunsthandwerk und Architektur in einer Diashow. Und dazwischen immer wieder Fotos von verschleierte Frauen und Bilder der sogenannten “grünen Revolution”: Es ist ein ambivalentes Land, von dem Barbara Naziri erzählte. Auf die Frage eines Freundes, wie sie die iranischen Frauen charakterisieren würde, habe sie einmal spontan geantwortet: gespalten. Einerseits modern und selbstbewusst, andererseits aber konservativ und traditionsbewusst. Sie selbst bezeichnet sich ebenfalls als “Wandelnde zwischen den Welten”. Sie spricht akzentfrei Deutsch und fließend Iranisch, ist Mitbegründerin des Hamburger Flüchtlingsrats und des Deutsch-Ausländischen Kulturvereins.
Mehr als acht Reisen in den Iran während der letzten zweieinhalb umtriebigen Jahrzehnte liegen hinter ihr. Aufregende Zeiten und nicht ganz ungefährlich: So schildert sie in ihrem Buch einen Vorfall, bei dem sie verhaftet wird, weil sie sich auf offener Straße mit einem Cousin streitet.
Weil Barbara Naziri in Deutschland aufgewachsen ist, war für sie einiges an der iranischen Kultur ungewohnt: “Ich habe beispielsweise gelernt, dass die Überschwänglichkeit, die mich anfangs irritiert hat, tatsächlich ehrlich gemeint ist”, sagt sie.
Die Autorin hat den Iran von innen heraus erlebt, weiß vieles zu berichten. Von Kindersoldaten im arabischen Krieg, von versteckten Satellitenschüsseln im Hinterhof, von religiösen Fotografen und freizügigen Models. Von Frauen, die aus Protest Pony tragen, um auch unter dem Kopftuch möglichst viel Haar zu zeigen, und hautenge Mäntel, um zu provozieren. “Ich schildere Geschichten, die das Leben zeigen. Da gibt es fröhliche Menschen, wütende Menschen. Zufriedene und traurige.” Die Einzelschicksale sind es, die die Lesung trugen. Dadurch fiel es auch Zuhörern, die wenig Ahnung von neuerer iranischer Geschichte haben, leichter, den Ausführungen zu folgen.
“Grüner Himmel über schwarzen Tulpen” ist ein Erfahrungsbericht, der zeigt, wie vieles im Iran noch im Argen liegt. Und das, obwohl es Jahrzehnte her ist, dass der Sturz des Schahs die Bevölkerung 1979 glauben gemacht hatte, alles würde besser werden. In der Realität folgten nur neuerlich Unterdrückung und Enttäuschung. In den folgenden Jahren beutelten die Machtergreifung Chomeinis und der Irakkrieg das Land, in dem “die Menschenwürde einem aufgespießten Schmetterling gleicht”, zusätzlich. Sie wählt eine metaphorische, fast blumige Sprache. Der Titel lässt es erahnen, in dem Naziri von der immer neu aufkeimenden Hoffnung der Bevölkerung erzählt. Zuletzt flammen Erwartungen anlässlich der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Jahre 2009 wieder auf. Die Ernüchterung folgt aber bereits am Wahlabend, als klar wurde, dass Ahmadinejad an der Macht bleiben wird. Einen “kleinen Wichtigtuer” schimpft Naziri ihn. Aber Teheran hat sein Frühlingsgewand angelegt, überall gehen die Menschen auf die Straßen. “Wo ist meine Stimme”, hört Naziri die enttäuschten Menschen rufen und sieht mit eigenen Augen die “Empörung, die wie Lava auf die Straßen schwappt”.
Erstaunlich war es, diese entschiedene und selbstbewusste Frau in der Diashow mit Kopftuch zu sehen. Schließlich, so ihre Beobachtung, geht es aber schnell, sich an die Verschleierung zu gewöhnen und sich dem Zwang zu beugen. Für Barbara Naziri, so stellt sie klar, ist das Kopftuch ein reines Unterdrückungsinstrument. Und fügt an: “Ich bin überzeugt, dass ein Wandel im Iran von Frauen getragen wird.” Sie glaubt an das Land, obwohl sie selbst Unerfreuliches erlebt hat: In einer Szene aus dem Jahre 1986 gerät sie auf ihrer ersten Reise beispielsweise mit den Wächterinnen einer Poststation aneinander, weil sie keine Strümpfe unter ihrem Gewand trägt und damit gegen die Kleiderordnung verstößt. Dass sie sich ihre Wimpern getuscht hatte, macht die Situation nur noch schlimmer, sodass die Wächterinnen schließlich fragen, ob sie wenigstens regelmäßig bete.
Barbara Naziri wirkt nicht, als ob sie sich von Restriktionen beeindrucken ließe: Ihr Buch, so erzählte sie nach der Lesung, hat sie bei ihrer letzten Iranreise ins Land geschmuggelt. Als Geschenk verpackt, für ihre Familie. “Wenn man immer nur Angst hat, kann man nichts bewirken”, lautet Barbara Naziris Erfahrung.
(Miryam Frickel)